von Charlotte Rüttinger
ISBN 3-937617-05-1
erschienen 2004 im BellaVista Verlag
Den Begriff der "Blauen Stunde" haben unsere Vorfahren geprägt, als es noch kein elektrisches Licht und keine elektrischen Geräte gab, die Menschen mit dem Verlöschen des Tageslichtes ihre Arbeit unterbrechen mußten und aus Sparsamkeitsgründen vor der völligen Dunkelheit noch keine Lampen anzündeten. In dieser besinnlichen Stunde der Dämmerung erzählten sie sich und den Kindern oft Geschichten.
Vorstellung der Autorin durch den Verlag:
"Vor jedem Anfang steht ein Ende", schreibt Charlotte Rüttinger. Dieser Satz könnte das Lebensmotto der Autorin sein, denn oft genug in ihrem Leben mußte sie wieder von vorn anfangen. Sie schreibt über Verzweiflung, aber auch von Hoffnung und den Chancen des Neubeginns.
Charlotte Rüttinger ist eine sensible Beobachterin. Sie sieht die kleinen Gesten, die menschlichen Augenblicke. Denn es sind oft die kleinen Geschichten, in denen sich eine ganze Welt verbirgt.
Charlotte Rüttinger wurde 1929 in Breslau geboren und beendete ihr Studium als Diplom-Juristin. Während ihres Berufslebens war sie als Juristin in der Rechtspflege, im Versicherungswesen, an der Universität auf dem Gebiet des Zivilrechts und zuletzt in der Wirtschaft tätig. Sie ist verwitwet, hat eine Tochter und zwei Enkelkinder und lebte nach der Vertreibung aus ihrer Heimat in den Ländern Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Schleswig-Holstein und auf Teneriffa. Jetzt wohnt sie in Sachsen-Anhalt.
Eigenes Erleben und die Erfahrungen aus ihrem Berufsleben bilden die Grundlage der Gedichte und Geschichten dieses Buches.
Auszüge aus den Kurzgeschichten und den Gedichten:
Aus "Vor jedem Anfang steht ein Ende"
... Verzaubert blickte Günther auf das Wasser der Trave. Die Strahlen der Sonne hatten es in blitzendes Silber verwandelt. Plötzlich fielen ihm die "Stufen" von Hermann Hesse ein, und in Gedanken zitierte er den Vers:
"Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
an keinem wie an einer Heimat hängen,
der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten."
Tief empfand er die Weisheit und den Trost dieser Erkenntnis. "Aber mein Herz hat seine eigenen Gesetze, und nicht immer gelingt es mir, mich ohne Schmerzen vom Alten, Vertrauten zu trennen ...
Aus "... doch der Zug fuhr niemals zurück"
... "Schweigend und wie betäubt starrten die am Straßenrand Stehenden auf diesen Elendszug. Sie empfanden das sich ihnen bietende Bild wie einen Albtraum und spürten voller Angst das auf sie zukommende Unheil. Wenige Tage später wurde die Stadt zur Festung erklärt ...."
Aus dem Gedicht "Die Stadt und der Fluss"
Das silberne Band des Flusses glänzt
im Abendsonnenschein
Seine Wellen umspülen des Ufers Saum
und er träumt einen alten Traum
Von der Schönheit der Stadt, die einst hier stand,
die im Fluss ihr Bild geschaut.
Von den Menschen, die Generationen lang,
an den Armen des Stroms sie erbaut.
Er träumt von der Sprache und ihrem Klang,
von den Liedern, die einst man sang.
Das Läuten der Glocken noch einmal erklang,
als die Stadt im Feuer versank .......
Aus "Wartezeit"
........ "Mein Gott bin ich müde", dachte er, ich könnte mich einfach hier vom Hocker kippen lassen. Aber schlafen könnte ich bestimmt nicht. Geistesabwesend starrte er auf ein Plakat, das ihm versprach, den Weg frei zu machen. "Welchen Weg?", dachte er irritiert. Schließlich bezahlte er und verließ schleppenden Schrittes das Lokal, ohne sich auf seine selbst gestellte Frage eine Antwort zu geben.
Draußen empfing ihn eine klare, kühle Herbstluft. Ein glitzernder Sternenhimmel wölbte sich über der Stadt .........